Das dünne Ende – 25. Tag
Eigentlich dachten wir ja sei durch – aber da gibt es ja die Redewendung vom dicken Ende, dass dann erst noch kommt – und ja – es kam – nur es war nicht dick sondern dünn – Sparflamme gewissermassen. Aber wir wollen nicht vorgreifen!
Nach einer erholsamen Nacht in einem der besten Hotels auf unserer Reise genossen wir selbiges noch etwas länger, schliefen aus und stellten die letzten Blog-Einträge fertig. So brachen wir dann erst ca. 11:00 bei herrlichem Herbstsommerwetter zur Fahrt nach Lugansk in der Ukraine auf. Grundsätzlich gemütlich – die Landschaft geniessend – allfälligen Schwierigkeiten mit der russischen Strassenpolizei aus dem Weg gehend.
Russische Weiten – Felder bis an den Horizont – bei angenehmen Herbsttemperaturen – den Winter möchten wir nicht erleben!
Und immer wieder wird die Landschaft aufgelockert mit Kulturdenkmälern von bemerkenswerter Formvollendetheit – Stahlbeton in Perfektion!
Unvermeidbar auf dieser Fahrt auch das Bestaunen der malerischen Marktstände mit regionalem Angebot – hier Trockenfisch und handgestrickte Wollsachen
und hier ein typischer Tankstellenmarkt mit Süssigkeiten. Das russische Schmusekätzchen – war allerdings nicht zu kaufen
Die Fahrt verlief denn auch bis ca. 50 Kilometer vor die Grenze entspannt und effizient – und ja – die letzten 50 Kilometer – da kommt dann eben das dicke/dünne Ende. Also diese letzten Kilometer zogen sich wieder mal extremst dahin, was auch damit zusammenhing, dass die für einmal die Beschilderung in dieser Grenzgegend exzellent war – allerdings nicht zur von uns angefahrenen GPS Grenze, sondern zu einem anderen ca. 30 Km entfernten Übergang. Und so liefen wir dann halt erst ca. 18:00 bei der Grenze ein – um dort erst mal eine Warteschlange von ca. 15 Autos abzuwarten – dauerte bloss eine Stunde. Danach dann das übliche Prozedere – Formular ausfüllen – ohh – ein Fehler – also repetieren – irgendwie scheinen sich diese Zöllner halt beschäftigen zu müssen. Wie immer klappte es dann aber im zweiten Anlauf ziemlich reibungslos und zur Abwechslung wurde diesmal auch das Auto nicht komplett leergeräumt und auseinandergenommen. Ausreise aus Russland.
Und damit Abschluss der wohl schwierigsten Grenzübertrittserie – resp. der schwierigsten Länder – dachten wir und waren wieder einmal völlig falsch – ja – genau das dünne Ende!
Schon die Anfahrt auf die Ukraine hätte uns stutzig machen müssen – so schlimm sahen die Grenzübergänge sonst nur in Schwarzafrika aus – verlotterte Bretterbuden – schummrig beleuchtet – Joni dagegen war der gambiakische Zoll eine Las Vegas pur!
Und dann begann das dünne Ende, denn der Ukrainische Grenzer wollte etwas. Konnte aber nur auf Russisch artikulieren was. Irgendwann dann hauchte er “Präsent” – also gaben wir ihm eine Zigarre. War aber nicht genug. Langsam wurde auch ich etwas ungeduldig, v.a. weil von hinten diverse Wagen ankamen, mit den Immigration-Formularen bedient und weitergewunken wurden. Nur wir nicht. Und obwohl ich diesem Idioten mehrmals deutete, ich würde gerne die Immigrationformulare ausfüllen, verweigerte er mir dies und murmelte etwas von Transit. Ja – ihr bemerkt es – wir werden hier unüblich deutlich – denn sowenig wir Russisch können – so präzise ist unsere Zeichensprache – Finger auf Formular – dann zwei Finger nach oben – heisst zwei Mal – dann Finger auf mich – und nicken => bedeutete bisher weltweit, unmissverständlich “ich will zwei von dem da” – hat noch NIE versagt – ausser bei diesem ukrainischen Grenzer mit wohl (hier beginnen die Vermutungen) mit eigennützigen Partikulärinteressen.
Und so nahm das Desaster seinen Lauf – nach ca. 30 Min erfolglosen Versuchens, mir Russisch beizubringen durften wir durch an die nächsten Station – auch dort fragte ich nochmals nach der Immigration Card – nein sei nicht nötig, da wir ja im Transit seien – 3 Tage ok? Transit? Wenn’s denn hilft – gehetzt wie wir gestressten Bänkler sind, sind ja eigentlich alle Länder immer Transit und in der Ukraine wollten wir ja auch nur in einem Roadmotel irgendwo, in Kiew und in Lemberg stoppen. Und weil’s schon 22:00 war haben wir natürlich etwas gepennt und nicht gepeilt, dass uns die Grenzerbande mit den 3 Tagen Transit natürlich voll das dünne Ende zugejasst hatte – d.h. anstelle gemütlich Racing – keine Zeit irgendwas von diesem Land zu geniessen, sondern diese nicht gerade kleine Kornkammer Europas schlicht auf geradester Strecke an der dünnsten Stelle im Höchsttempo zu durchfahren – denn mit der Einreise um 22:00 war natürlich nach typischer Grenzerrechnung der erste Tag in 2 Stunden bereits vorbei. ******* Hier muss die Zensur eingreifen – denn hier verlieren wir unsere Schweizerische Neutralität. Wir haben auf unserer Reise nun einige Grenzen durchfahren, aber was diese ukrainischen Grenzbeamten abzogen sprengt schlicht und ergreifend alles – da würden selbst die senegalesischen Grenzmafiosi bleich vor Scham!
Und weil es schon spät war, gab’s natürlich auch eine eher mühsame Weiterfahrt – erst nach Lugansk – und wegen der an diesem Abend erst befürchteten aber noch nicht verifizierten – verkürzten Aufenthaltsdauer noch etwas weiter bis in ein Nest, zu welchem uns aktuell sogar der Namen fehlt. Da waren wir um 23:00 natürlich schon seit ca. zwei Stunden auf der Suche nach einem Hotel, welches sich aber nicht blicken lassen wollte. Und die Städtchen waren ebenfalls allesamt wenig versprechend – sollte uns dies nun auch noch eine Campingnacht eintragen? Nein – denn bei der Nachfrage nach einem Hotel in einem Restaurant fand sich spontan ein Problemlöser in Form eines ukrainischen Polizisten, welcher zu uns ins Auto sass und den Weg wies. Einen Weg den wir nie gefunden hätten. Nie im Leben, weil das Dorf eigentlich komplett im Wald versteckt war
und wir so dessen Ausmasse gar nie erahnt hätten und ergo auch nie auf die Idee gekommen wären, dort könnte es ein Hotel geben. Und auch weil wir nie im Leben auf die Idee gekommen wären, den Banhof zu suchen,
dort im Wartesaal die Treppe hochzusteigen
und oben in den Mansardenzimmern nach einem Hotel zu suchen. War aber genau da – günstig – sauber und gut.
Und auch das Parkieren regelte der nette Polizist. Und brauchte danach Geld für das Taxi nach Hause, obwohl er schon mehrmals signalisiert hatte, dass er nur 5 Minuten zu Fuss entfernt wohnen würde – schon klar, dass er sich etwas verdient hatte, aber gleich 40% des Hotelpreises für das Taxi zu verlangen übersteigt dann halt das erwartete Mass – allerdings nicht wirklich überraschend – Hinweise auf eine etwas spezielle Einstellung der hiesigen Staatsdiener finden sich im Internet zu Hauf. Und sind – jedenfalls im Falle des uns verweigerten, korrekten Grenzübertritts auch aus eigener Erfahrung nur gerechtfertigt. More to come. Motor off.
This entry was posted on Wednesday, September 29th, 2010 at 11:15 and is filed under Uncategorized. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.