Tempi Passati – 29. Tag
Tempi passati – nein das hat nichts mit italienischem Fruchteis oder einer speziellen Pastaversion zu tun. Auch nicht mit einer archäologischen Ausgrabungsstätte in Griechenland. Und wir suggerieren auch keine Anspielungen auf die allenfalls uns unterstellten und vermuteten Geschwindigkeitsexzesse – welche – ehrlich – nicht stattgefunden haben. Ausser – kurz – heute – auf einem Stück unlimitierter deutscher Autobahnfreiheit – the Sky is the Limit – nein besser nicht – sondern ganz profan der Motor war das Limit, bei 184Kmh – wobei – mit weiteren 10Km Anlauf hätten wir vielleicht an der 190er Marke gekratzt – hat aber nichts mit tempi passati zu tun – obwohl auch dies tempi passati ist – aber wir wollen nicht vorgreifen – oder nachgreifen? Wie auch immer.
Alles hat ein Ende – so auch der Genuss unseres luxuriösen – tennishallengrossen Hotelzimmers inmitten Wiens. Und auch mit dem Frühstück kamen wir schnell zu einem Ende – denn irgendwie zog es uns schon heimwärts. Magnetisch sozusagen – also nicht physisch sondern emotional.
Und so cruisten wir bei herrlichem Herbstwetter los – navigesteuert raus aus der Donaumetropole.
Weg aus einem Stück Europa, welches viel erlebt hat und welches vor 20 Jahren ganz anders ausschaute – damals im Februar 1989 als sich die Reiselust erstmals intensiv zu regen begann und ich mit einem Studienkollegen das Snowboard packte, um hinter dem damals noch eisernen Vorhang boarden zu gehen. Another break through the wall hiess das Projekt. Studentenmässig unbeschwert reisten wir per Nachtzug nach Wien und riefen dann eine Nummer in Bratislava an – Codename Studentenskiseminar – alles klar – wir würden abgeholt. Drei Stunden dauerte die Fahrt damals – maschinenpistolenbewacht – durchsucht – abgesichert. Tempi passati. Man wird älter – Wien auch – aber Wien ist schöner geworden
– und wir? Ein Bart mit weissen Flecken
– irgendwie inkonsequent – wird also wegkommen. Aber wir greifen vor.
Fahrtechnisch gibt es ja nicht viel zu berichten – zum Glück! Keine Achsbrüche – keine unberuhigenden Geräusche – vielmehr (manchmal) das leise Rattern der Antriebswelle (deuten wir mal so – sind aber immer noch keine Saabexperten) – das leise Schlagen des Auspuffs gegen die Karosserie bei starken Bodenwellen – hallo – ich bin noch dran – beruhigend. Vorbei am europäischen Baikonur oder so ähnlich
Und irgendwo auf einem Rastplatz in Deutschland vertanken wir dann unsere Reserve von 20 Litern 98 Oktansprit
– 16’000 Kilometer rumgekarrt – unsere eiserne Ration gegen den befürchteten schlechten Sprit – mit dem uns glücklicherweise niemand abgefüllt hat.
Reisen quer durch Österreich – also nicht ganz – mäandrieren vielmehr zwischen Österreich und Deutschland – ganz schön clever: Die Österreicher, über die wir Schweizer ja gerne Witze machen haben es doch tatsächlich geschafft, die schnellste Transversale durch’s Land teilweise outzusourcen – ganz schon gewitzt!
Und damit beginnen die letzten Stopps unserer Mission: Zuerst in Österreich, nahe an der Schweizer Grenze: Wir müssen – nach fast fünf Jahren Gewissheit haben. Gibt es unseren Helden von Afrika, d.h. von Plymouth-Banjul 2006, Fritz den Fahrerfotograf oder Fotografenfahrer noch? Wir sind nervös – drei lange Wochen sind wir damals mit den beiden Österreicher-Teams quer durch etwas Afrika gefahren – von Marokko runter nach Gambia – damals im VW Scirocco – ein Wüstenwind – kommt aus der Wüste – geht in die Wüste – um ein Haar, hätten uns unsere Österreichischen Helden nicht die verbogene Hinterradaufhängung wieder gerade gebogen. Tempi passati – aber Fritz den Fahrerfotografen – den wollen wir endlich mal wiedersehen! Und tatsächlich – er ist da – und erkennt uns trotz unserer Ganoventarnung mit Bart und Spiegel-*****-Sonnenbrille (Joni – du weisst – die Brillen gehen auf dich – Respekt vor soviel Style) sofort. Hallo!
Und dann geniessen wir den seit Jahren andiskutierten Kaffee und freuen uns, dass es immer noch allen Rallyisten von damals gut geht. Schwelgen in – richtig – tempi passati. Und weiter – motor on.
Zur Zollabfertigung Lustenau – das Carnet de Passage stempeln – Auto schön wieder in die Schweiz einführen – damit wir die Kaution zurückkriegen. Führt leider dazu, dass der Güterverkehr zwischen der Schweiz und Österreich kurzfristig zum Erliegen kommt – die Fernfahrer sich missmutig stauen – zu Fuss, also völlig widernatürlich – aber wer weiss heute denn noch, wo dieses antiquierte Carnet zu stempeln ist?
Motor on – auf in die Heimat – ach wie schön ist es, wieder auf eigenen Strassen unterwegs zu sein, zu wissen, dass jeder Meter dieser samtweichen Asphaltbänder auch von uns bezahlt wurde – und wie herrlich ist das Gefühl, über diese weltweit einzigartig sanften Dilationsfugen (sorry falls dies allzu diletantisch skribiert ist) zu gleiten – weiter – motor on –
zum letzten Stopp – vor der Ankunft – Tankstopp!
Und danach motor on – St. Gallen Zürich – eine Strecke, die wir beide wohl schon hunderte Male gefahren sind – als Exilstudenten an dieser wunderbaren Bildungsinstitution dort oben am Sonnenberg. Tempi passati.
Ja und bald ist auch unsere Reise – tempi passati. Blosse Erinnerungen noch an die Hölle hinter Aralsk, an das Teetrinken in Dog Biscuit, an all die Klappergeräusche, an die zahllosen Menschen, auf deren Hilfe wir angewiesen waren, an … tempi passati.
Es verbleibt ein immenser Fundus an Expeditionsergebnissen, digitalen Ausgrabungsresultaten, Fotos und Videos – Gigabytes an Datenmaterial, welche bei dieser Mission zusammengetragen wurden. Forschungsergebnisse in einer zwar besiedelten, aber immer noch wilden Gegend dieser Erde. Die Nachbearbeitung wird Jahre dauern – all die Auswertungen der GPS-Tracks – die wissenschaftlich korrekte Einsortierung der Fotos – eine Sysiphusarbeit – aber wir wollen nicht vorgreifen. Denn erst einmal gilt das hier und jetzt! Wir sind zurück in der Schweiz! Wohlbehalten! Glücklich! Dankbar! Nach 15’587 Kilometern wieder
zu Hause, resp. an dem Punkt, an welchem unsere ründere Rundreise vor 29 Tagen begann!
Motor …
This entry was posted on Thursday, September 30th, 2010 at 21:54 and is filed under Uncategorized. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.