Pamirchallenge

Dr. Daktari und Michael unterwegs in den fernen Osten

Flower

Grundbedürfnisse – 8. Tag

Die Reise von Abhar nach Esfahan begann früh – sozusagen unter Missachtung des Grundbedürfnisses nach Ausschlafen. So früh, dass wir sogar den Sonnenaufgang fotografisch festhalten können – also wirklich unchristlich früh, wobei dies hier vermutlich unpassend ist und es eher islamisch passend früh war – denn wegen Ramadan war das Frühstück ja früh einzunehmen.

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Danach aber Abfahrt und es kam wie es kommen musste – Eile mit Weile! Nein – keine Polizeikontrolle – sondern ganz einfach Vergesslichkeit – dh. nach 30 Minuten Fahrt bemerkten wir, dass unsere Pässe ja noch im Hotel lagen (die Iraner sind versessen darauf die Pässe bis zum Letzten einzubehalten) – also retour und noch einmal – mit Anlauf durch die Nebenstrassen, Dörfer – malerisch, romantisch, unglaublich orientalisch – so wie es sein muss. Und so wie es schön sein könnte, wenn die Grundbedürfnisse befriedigt wären – aber da war ja der Schlaf. Dann fehlte auch der Morgenkaffee – Ramadan. Aber noch viel schlimmer war – Hochmut kommt vor dem Fall – “we change money” – wir hatten kein Geld mehr! Also ganz stimmt das nicht – genau wie beim Lyoneser Essensautomat mangelt es uns nicht an Notenbeständen in harten Währungen – aber die sind im Iran halt nicht verwertbar und Rial – tja – hatten wir noch ganze 35’000 – umgerechnet ca. 3.5 USD. Also Bedürfnis befriedigen – Geld wechseln – angeblich am besten nicht auf dem Schwarzmarkt sondern auf der Bank – klar – für uns Berufskollegen Ehrensache. Also erste Bank angesteuert – hübsche Einrichtung – offener Stil  – das halbe Dorf trifft sich hier:

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und mittleren Aufruhr verursacht – nein Geld wechseln unmöglich – das gehe erst in Qazvin. HHmmm aber dahin wollten wir nicht also Motor on – weiter auf Nebenstrassen quer durch Richtung Autobahn nach Esfahan. Nicht einfach. Unsere Fahrroute gemäss GPS-Tracker weist eindeutig auf einen entweder betrunkenen oder völlig desorientierten Fahrer hin – wir sind im Iran – also letzteres. Und nach dem Weg fragen ist hier auf dem Land auch etwas erschwert! Englisch wird schwierig – so schwierig dass es meist schon eine Leistung ist, das Fahrziel klar zu machen. Danach ein Schwall Gesten mit diversen Handzeichen welche wir offensichtlich noch nicht richtig zu deuten wissen – da ist schon die richtige Interpretation der Fahrrichtung Glücksache. Höflich wie wir sind – verabschiedeten wir uns dann meistens auch mit Zeichensprache also eben nicht mit dem zu einem Kreis geformten Daumen und Zeigfinger bei gleichzeitig aufgefächerten übrigen Fingern – das ist unanständig – wissen wir – sondern mit Thumbs up – international anerkannt. Allerdings ist der Iran nicht international und so mussten wir bestürzt dem Reiseführer entnehmen, dass Thumbs up im Iran gleichbedeutend mit dem gestreckten Mittelfinger ist! An dieser Stelle eine ehrliche Entschuldigung an all die, die wir unwissentlich beleidigt haben und für’s Publikum halten wir fest, dass auch Zeichensprache recht anspruchsvoll sein kann. Grundbedürfnis Kommunikation also klar unterentwickelt.

Aber weiter – wir suchen immer noch eine Bank resp. eine Wechselstube und die Sache entwickelt sich immer schlimmer: Ausnahmslos jede Bank weist unsere Wechselwünsche schroff zurück. Gleichzeitig beginnt nun auch unser Saab Grundbedürfnisse anzumelden – die Tanknadel steht Ramadan-mässig tief. Und als Krönung wird Michael in der letzten Bank entschieden bedeutet, dass a) Geldwechseln sowieso nur in Teheran und Esfahan möglich sei und dass b) jetzt dann das Äquivalent zu unseren Weihnachten gefeiert werde und damit sowieso alles drei Tage still stehe. Schöne Aussichten für unsere Grundbedürfnisse – ausser dem Schlaf werden wohl alle unzufrieden sein. Die nächste Bank steuere ich an – erfolglos – nun nicht absolut erfolglos – denn der Bankmanager – einer der unglaublich netten, hilfsbereiten, verständnisvollen Iraner nahm sich meiner an, telefonierte herum, bis er einen Wechselkollegen gefunden hatte, schrieb mir die Adresse für das Taxi auf – kurzum fädelte alles ein. Damit noch nicht genug – mir wohl misstrauend, dass ich nicht mal ein Taxi finden würde, rannte er mir hinterher – befahl kurzerhand der Banklimousine (ok – ein abgewirtschafteter Peugeot 305 ohne Klima) mich dorthin zu fahren und zusätzlich wurde ein Mitarbeiter zu meiner Eskorte abdetachiert – Private Banking Iranian Style! Nun – um Zeit zu sparen  kurz mit Michael zeichengesprächelt “folge diesem Wagen”  dies auch dem Fahrer bedeutet – er hat wohl verstanden – “ich werde verfolgt von diesem Wagen – häng ihn ab”. Schönrednerisch würden wir Michael ca. 50 Meter geben, bis er im Gewusel eines vierspurigen Kreisels unsere Spur schon hoffnungslos verloren hatte – zum Glück – diesem Fahrer zu folgen wäre unmöglich gewesen. Ich hab die Reise trotzdem genossen – mitten in eine Kleinstadt hinein, dort hat mich der zweite Begleiter ins Einkaufszentrum ins Untergeschoss in die Wechselstube geführt, wo ich dann die Dollares loswurde – und zwar mit Quittung und zu einem höchst akzeptablen Kurs – was auch daran lag, dass uns unser Arbeitgeber mit vorbildlich neuen, geradezu druckfrischen Greenbacks ausgestattet hatte – und bei den Iranern ist halt Dollar nicht gleich Dollar, sondern druckfrisch ungefaltet gibt einen höheren Kurs. Danach per Banktaxi wieder zurück, wohin auch Michael zum guten Glück gefunden hatte – und damit war unser wichtigstes Grundbedürfnis – nämlich Geld – nun mal gedeckt: Links eine Million – als Check – rechts eine Million in Noten – cool!

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Also weiter – ausgangs der Stadt dann eine Tankstelle – allerdings mit Warteschlange – passt nicht, wenn man Zeit gut machen will, also motor on.

Problematisch nur – unsere Tankanzeige stand nun so tief, dass eigentlich schon längst die Reserveanzeige hätte zu leuchten beginnen müssen – auch hatten wir schon über 700Km auf dem Tank – dabei wussten wir doch aus den bisherigen Erfahrungen, dass bei ca. 650Km definitiv Schluss ist! Wir rätselten noch etwas herum, und wurden dann nachdenklich – wollte sich doch einfach keine Tankstelle mehr blicken lassen.

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OK – wir fuhren ja auch durch eine wüstenartige Landschaft – aber gerade da hätte es ja keine Konkurrenz gegeben und wir hätten sicher getankt – war aber nicht – da ein Haufen parkierter Fahrzeuge, Werkstätten – Tank… – nein – Fata Morgana – also weiter. Prophylaktisch nicht mehr im natürlichen Geschwindigkeitsbereich sondern saft-, kraft- und freudlos mit 80-90Kmh dahinschleppend. Und um’s auf die Spitze zu treiben flug’s hinter einem Tanklastzug angehängt – weil die für LKW sehr flott unterwegs sind und weil – wenn er halten würde, könnten wir ja vielleicht… nun ganz so schlimm war’s ja eigentlich nicht – denn nachdem wir don’t panic schon intus haben, steht diesmals die Reise unter dem Motto “stay focused” und wir hatten ja immer noch eine Cherry Can (ja in dieser Situation darf man die Jerry Can glaub’s ruhig mit Cherry liebkosen) mit 20 Litern bestem Schweizer 98Oktan Superduper-Saft an Bord. Aber unser Stolz wollte es einfach nicht und der Saab wollte es auch nicht. Und so erreichten wir mit einem seit 90 Kilometern konstant leuchtenden “low on  fuel” Warnlicht doch tatsächlich die nächste Stadt, an welcher für einmal die Tanke schon eingangs war.

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Hingerollt und 59.70 Liter eingefüllt – neuer Rekord! Rekordverdächtig auch der Preis – umgerechnet ca. CHF 25.—: Iran – eine Autofahrertraum!

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Nachdem nun alle wesentlichen Grundbedürfnisse befriedigt waren, cruisten wir ganz entspannt nach Esfahan rein – wo leider die Afrikamethode scheiterte, da niemand das anvisierte Hotel kennen wollte. Also Plan C – einfach drauflos. Das erste Hotel war dann seit Februar von einem mit USD 60 “slightly overpricten” medium range Hotel aufgestiegen zu einem USD 96 gepricten whatever Hotel und das noch ohne Garage / Parking – also weiter. Das Venus Hotel ideal gelegen, sehr schön ausschauend, wollte dann EUR 99 – lenkte aber ein, dass auch USD 99 passen würden. War uns aber immer noch etwas teuer – doch der Hotelmanager – wieder mal die extremst nette Spezies – liess nicht locker – jedenfalls das Zimmer anschauen müsste ich und er könne mir auch Discount geben – ok – also Zimmer gecheckt – wirklich sehr schön, neu. Also mal noch nach WLAN gefragt und darauf die fast vorwurfsvolle Antwort erhalten – dies sei ein nigelnagelneues Hotel! So sinngemäss, hier habe man doch noch kein WLAN nötig. OK – also – was denn unser Preis sei – nun eigentlich wäre unser Budget USD 50-60 (wir müssen ja die Versicherung wieder reinholen) aber wir möchten ihn auch nicht beleidigen – das Zimmer sei ja sicher seinen Preis wert. Also gut meinte der Manager ein Einzelzimmer wäre USD 59, da könnte er uns das Doppel zu 70 geben! Eigentlich gut – aber die Höflichkeit gebietet ja zu handeln – what about 65 – deal done! Und mit einem charmanten Lächeln beschliesst er  die Verhandlungen “because I do not want you to leave this hotel – I want you to relax” – wir erinnern uns das Hotel heisst Venus Hotel – und der Manager tat wirklich alles, damit es uns in liebenswürdigster Erinnerung blieb. So wurde uns der Wagen eingeparkt Gepäck rumgetragen etc. – exzellent – können wir nur weiterempfehlen.

Nach einer Wellnessduchsche stand dann das Touristenprogramm an – auf zum Meidun-e Emam Khomeini – das ist der grösste Platz der Welt – allerding nicht in der unlimited Kategorie – dort rult der Tianmen Square in Bejing, aber in der Kategorie “enclosed”, d.h. ummauert gibt’s keinen Grösseren. Und eindrücklich ist die Anlage wirklich – denn in die Mauern ein- resp angebaut sind die Läden eines Basars und dahinter einige imposante Moscheen.

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Darunter auch eine seltene Moschee ohne Minarette – dies, weil es eine Moschee für die Frauen war und weil die normale Moschee mit Minaretten nicht weit entfernt ist, wurde davon ausgegangen, dass die Frauen den Muezzin auch ohne eigenes Minarett hören würden!

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Der Platz wird sodann sehr friedlich für’s rumhängen, Fussball spielen genutzt – im Innern des Basars hingegen ist’s weniger friedlich weil dort auch Motorräder rumkurven – Grundbefürfnis Fortbewegung halt…

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Friedlich dafür der Small Talk mit den Ladenbesitzern – natürlich würden sie uns gerne einen Teppich oder Schmuck verkaufen – Fredy – unser Herr der Ringe – dieser wäre was für dich, lag aber ausserhalb unseres Budgets

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– aber sie liessen uns auch ohne weitere Belästigung wieder ziehen. Dies ist vor allem deshalb erstaunlich, weil alle darüber klagen, dass seit einigen Jahren kaum mehr Touristen in den Iran kämen und die Geschäfte deshalb sehr schlecht liefen – die Frustration über gewisse restriktive Tendenzen war unüberhörbar…

Schade war, dass wir die ganze Atmosphäre

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gerne bei einem Tee genossen hätten, diesen aber dem Ramadan opfern mussten. Also warteten wir den Sonnenuntergang ab,

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rauchten danach eine Zigarrre und spazierten an den Fluss runter. Dort hat es zwei sehenswerte Brücken – die erste als ideale Einstimmung – sieht ganz nett aus – die zweite dann ist aber wirklich atemberaubend

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– v.a. auch weil es in der oberen Etage keinerlei Geländer / Sicherungen hat – mutig, die Schönheit dieses Bauwerks nicht durch Absturzsicherungen zu verschandeln – geht wohl auch nur, weil der Alkohol verboten ist und die Kinder gut erzogen sind – denn ein Schritt zu weit und man würde auf die Schaulustigen unten fallen. Schon etwas gespenstisch!

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Sodann herrscht überall friedliche Pic Nicerei, weil am Freitag der Ramadan zu Ende geht und  Feiertag ist, so sind nun alle unterwegs – so denke ich jedenfalls. Fisherman hingegen hat sich durch’s Iranische Fernsehprogramm gezappt und sieht die Ursache eher dort – seines Erachtens gibt das Programm wenig Anlass, nicht zu pcinicen. Wir sind auch bald soweit – schon seit Stunden hungrig unterwegs auf der Suche nach was zu Essen (Grundbedürfnis!), doch ist dies gar nicht so einfach – der Reiseführer hatte Recht, dass es ausser Fast Food fast keine Restaurants gibt – aber nach einigen Kilometern finden wir trotzdem noch eins im Keller unten – passend zum Venus Hotel heisst es Honey Restaurant – serviert aber nicht nur Desserts und – damit keine falschen Vorstellungen aufkommen – es ist auch nicht die Iranische Version des Hooters – die gibt’s schlicht nicht, sondern es ist einfach ein Restaurant in welchem wir hervorragend speisen und wo wir uns endlich auch mal wieder ein Bierchen gönnen können “Ishak” Malt Beverages mit entweder Lime, Peach oder Pomegranate Geschmack – selbstverständlich bleifrei – aber trotzdem sehr lecker. Und nachdem wir bequem bereits fast alle “Do’s” aus der Wikitravel Webpage abbesichtigt haben, gehen wir beruhigt schlafen – morgen wird’s mit der Einfahrt in Teheran fahrerisch und navigationstechnisch wieder mal äusserst anspruchsvoll – motor on!

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