Nicht alles Super – Aralsk – 20. Tag
Trotz der diskutablen Betten erwachen wir gut erholt und starten bei Sonnschein die heutige Etappe – auf nach Aralsk – und zwar im neu mit Rallystreifen dekorierten Saab (hat er redlich verdient) – alles super!
Nun nicht ganz alles – denn wir hatten erst 50 USD bei einem Schwarzmarkthändler zu Tenge gemacht und dies würde natürlich weder für Sprit noch für das Hotel reichen. Andererseits galt es 740Km zurückzulegen – also Motor on – denn Kasachstan is big!
Ursprünglich dachten wir hier an Wohlfühlsound a la Tom Petty – “into the great white open” – retrospektiv würden wir das Bild eher als “Highway to Hell” betiteln… aber wir wollen nicht vorgreifen. Motor on auf endlosen Geraden – nicht nur bis zum Horizont, sondern gleich durch den Horizont hindurch! Vorbei an Baustellen – auf welchen in der Spätsommerhitze geschuftet wird, damit wir sanft rollen können!
Und vorbei an malerischen Landschaften und Dörfern, wobei es sich bei diesem Bild nicht um ein Dörfchen, sondern um einen typischen Kasachischen Friedhof handelt.
Ja – Gräber säumten sozusagen die Strasse – in jeder grösseren Ortschaft stehen solche Überreste einstiger sowjetischer Planwirtschaft still. Still vor sich hin rostend.
Auch sonst sieht man in diesen ehemaligen Sowjetstaaten immer wieder Erinnerungen an die jüngst vergangene Geschichte – so z.B. in Form gepflegter Ortstafeln – vermuten wir jedenfalls.
Motor on – weiter – nach Quiz Lorda auf der Suche nach einer Bank in welcher wir Geld wechseln konnten. Das war allerdings gar nicht einfach – denn irgendwie schienen wir im falschen Film zu sein – auf die Frage Bank – change Money wechselten Leute die Strassenseite, zogen ihre Kinder von uns weg, verschlossen die Fenster ihrer Autos – kurzum – es gelang uns nicht einmal, die Frage mit Gebärdensprache richtig zu platzieren. Mit Ausnahme eines Taxichaffeurs, der einfach Geld wollte und uns danach wohl auch ans Ende der Welt oder nach Baikonur gefahren hätte. Wollten wir aber selbst machen. Und wie wir da ziel- und planlos durch die uns unverständliche Kleinstadt irrten – traf uns wieder einmal der Segen der Technik – ein Wunderwerk des menschlichen Erfindergeists – ein Geniestreich Schweizerischen Bankhandwerks – wir fanden nämlich einen Bankomaten! Um präzis zu sein sogar gleich zwei – einen Einheimischen und einen Internationalen – und so freundeten wir uns mit dem Internationalen an und entlockten ihm die so dringend benötigten Tenge. Anschliessend volltanken und ab nach Baikonur!
Und so sehen wir schon bald riesige weisse Rauchwolken am Horizont – sollte da tatsächlich eine Rakete gestartet werden? Oder ein Treibstofhangar explodiert sein? Oder ein kasachischer Bauer ganz profan sein Stoppelfeld abgefackelt haben?
Etwas später dann – das richtige Baikonur – alle Antennen auf Sendung resp. Empfang – nicht nur wir sind weit weg von zu Hause – auch die Kollegen in der Mir oben werden sich vermutlich über das abendliche Skypen freuen…
Leider wich dann nach Baikonur die bis anhin so zahme kasachische Strasse einer immer wilder werdenden Piste. Aufgrund Bauarbeiten waren kilometerlange Schotterumfahrungen zu nehmen – ermüdend für Mensch und Maschine.
Und so ermüdete dann auch der Auspuff der Dänen – ein Gummiaufhänger riss – keine grosse Sache – ist eine der wenigen Reparaturen welche man tatsächlich mit Draht und Gaffa-Tape gut hinkriegen kann.
Schade nur, dass sich unsere beiden Autos inzwischen recht nahestehen und dass sie einander jeden Blödsinn nachmachen – so ermüdete dann unser Auspuff ebenfalls. Dumm nur, dass an dieser Stelle mit Draht nicht so viel auszurichten ist – der Auspuff war nämlich zuvorderst – gleich beim Auspuffkrümmer ausgeschert und hing nun wie eine nutzlose Vuvuzuela (ok – eher ein Pleonasmus) herunter. So weit so schlecht – eher unter die Kategorie Unfälle und Verbrechen fällt aber die Konstruktion dieses Auspuffs – denn der windet sich in einem Stück um die Hinterachse herum und zwar so, dass das Teil wegen des meist angerosteten Schalldämpers nicht ohne Materialschaden abmontiert werden kann. War allerdings etwas schwierig – wir erinnern uns – die richtigen Werkzeuge machen den Job! Nur hatten wir leider weder Feile noch Säge noch sonstwas geeignetes zur sittlichen Zerlegung eines Auspuffrohrs. Also musste gezwungermassen die unsittliche Methode gewählt werden – Durchschlagung des Rohrs mit einem Zimmermannhammer…
Hat aber recht gut funktioniert und wir waren sehr froh um das Know how der Dänen – denn dass der Auspuff einfach nicht rauszukriegen ist, hätten wir wohl erst nach mehrtägigen Versuchen wirklich geglaubt.
Danach wurden Oropax montiert – unglaublich der Sound eines 2-Liter-Motors ohne jegliche Abgasführung/Dämpfung – da hört man wirklich jedes Ventil einzeln klappern und die Kolben schreien. Ist allerdings eher ungünstig bei Polizeikontrollen – und eine solche war dann bei der Einfahrt in Aralsk nicht zu vermeiden – zum Glück ein netter und verständiger Polizist. Und nochmals hatten wir Glück – weil uns ein Einheimischer den Weg zum Hotel wies – ansonsten hätten wir mit unserer Rohrerei wohl halb Aralsk aus dem Bett geholt und wären vermutlich direkt aus der Stadt verbannt worden.
Das Hotel war dann eine andere Geschichte – die Herberge tags zuvor war ja etwas Sub-Standard – aber immerhin preisgünstig. Das Hotel in Aralsk hingegen war receptioniert von drei geldgierigen Hausdrachen, welche für ein zwar nett ausschauendes
aber unsäglich heruntergekommenes Zimmer ganze 30USD wollten – parken bei der Nachbarin extra – natürlich auch extra zu bezahlen. Alle Zimmertüren wiesen deutliche Einbruchsspuren auf, auf dem Flur vor dem Zimmer unterhielten sich zwei Kollegen, gestylt wie die Prototypen russischer Mafiosi in schlechten Filmen und die sanitäre Einrichtung war schlicht der absolute Horror – da war es uns eigentlich schon ganz egal, dass eh kaum Wasser floss.
Wir machten dann das beste aus diesem Unglückstag und liessen uns von den Dänen mit Dosenkost verwöhnen – leckere Köttbullar oder so an Currysauce mit Reis – manchmal braucht es wenig zur Zufriedenheit – das war echt nicht mehr bloss Hyggeligt sondern Hyggeren! Und morgen würden wir dann halt mal wieder eine Autoreparatarstätte suchen, den Auspuff schweissen lassen und dann gemütlich Atyrau entgegenmotoren – irgendwo in der Wüste campieren – ein schweizerisches Fondue geniessen und das Leben würde gut sein – aber erstens kommt es… Motor off.
This entry was posted on Saturday, September 25th, 2010 at 07:02 and is filed under Uncategorized. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.