Pamirchallenge

Dr. Daktari und Michael unterwegs in den fernen Osten

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Die Hölle hinter Aralsk – 21. Tag

Nach dem Hyggeligt Abendessen war die Nacht etwas weniger gemütlich – wir haben schon viel erlebt aber dieses Hotel schafft es locker unter die Top Drei der Worst Hotels ever! Das Bett knarrte auch beim alleine drauf liegen wie wenn sich 10 Teenager darauf ein Kissenschlacht liefern oder so. Und natürlich waren die Bedenken, ob das mit der Auspufreparatur wohl klappen würde. Es musste.

Also bei Sonnenaufgang aufgestanden – war nicht so schwierig – da die Sonne sich hier erst um 07:30 zeigen wollte. Danach noch kurz die gestrandeten Schiffe und die verlandeten Hafenkräne angeschaut –

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liebe Zürcher Kulturschaffende – der Hafenkran an der Limmat schaut ja nett aus – ist aber kalter Kaffe und hat selbst hier in der Pampas schon längst stattgefunden – und die haben sogar noch einen drauf gesetzt: Also erst den Aralsee trocken gelegt,

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damit sie die Hafenkräne und die Schiffe an Land haben und dann wieder aufgefüllt – sozusagen – nämlich daneben ein olympisches Hallenbad hingestellt – ist auch praktischer so.

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Dann aber auf zum Mechaniker – schliesslich wollten – ja mussten wir wegen der Kurzzeitvisa der Dänen weiter und – you know – Kasachstan is big. So sind wir dann um 08:00 beim Mechaniker vorgefahren

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– natürlich noch geschlossen. Also haben wir die gemütliche Stimmung des Vorabends einfach weitergezogen und den Dänen auf unserem Campingtisch ein echt Schweizerisches Müslifrühstück bereitet – mit Kaffee und Kakao – herrlich!

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Und so war es auch egal, dass sich dann erst um 09:00 ein erstes Lebenszeichen in der Werkstatt meldete – der Arbeiter meinte allerdings nur, dass wir auf den Master warten müssten – und fuhr weg, Brot zu holen.

Ebenso fuhr auch ein gemischt Dänisch/Schweizerisches Detachement weg – aufgrund der Distanzen war Camping für heute Abend die realistischste Option und dazu fehlte noch das Bier und das Brot für’s Fondue.

Irgendwann um 10:00 durften wir dann mal rein fahren und der Stift begann das Auto des Chefs zu waschen. Und irgendwann nach 11:00 fuhr dann der Master ein und besah sich die Bescherung. Danach fuhr er dann wieder weg – klar – musste wohl erst seine innere Mitte finden und Material beschaffen. Ist hier überall so. Also das mit dem Material beschaffen – nicht mit der inneren Mitte – die haben sie irgendwo anders – halt auch kalt hier im Winter und heiss im Sommer. Aber das Material holen – klarer Fall von just in Time Produktion – auch dies – überall in diesen Ländern schon langjährig gelebte Realität. Keine Werkstätte hat mehr als ein paar rostige Schrauben und verbogene Stücke Blech an Lager – wozu auch? Alles was man an Lager hätte wäre sowieso immer das falsche Teil – also hat man nix und geht dann erst irgendwo beschaffen. Immerhin aber durften wir mit Erlaubnis des Masters den Wagen über die Grube fahren und konnten in Ruhe die abgefallenen Gummidämpfer wieder montieren. Konnte nicht schaden, bei den bisher erfahrenen Schotterpisten.

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Und irgendwann dann war der Master bereit – und zum guten Glück die Dänen bei uns – denn ohne skandinavische Einführung in die Irrungen schwedischer Auspuffskunst, wäre auch der virtuoseste, russisch ausgebildete Steppenschweisser verloren. So aber nahm die Reparatur ihren Lauf – ein Zwischenstück wurde zugeschnitten, der Auspuff wurde an Platz gebracht – schräg hinten raushängend, damit nicht gleich um den Benzintank herumgeschweisst werden musste und dann wurde Naht um Naht geschweisst, geprüft und der Auspuff schlussendlich wieder montiert – heureka! Der Sound blieb cool – denn die Manschette vorne beim Auspuffkrümmer ist schlicht derart verbogen, dass deren Abdichtung sowohl grob- als auch feinmechanische Fähigkeiten erfordert – kein Fall für die Notreparateure der Steppe. Kostete dann umgerechnet ca. 40 USD und wir hofften, dass dies nun für längere Zeit die letzte Mechanikerrechnung ist.

Weil wir erst um ca. 15:30 losfahren konnten, war natürlich auch die Strecke von 950 Km bis Atyrau, welche wir in zwei Tagen schaffen wollten, nicht mehr so gemütlich – auf 1.25 Tage verteilt ergeben sich doch erheblich agressivere Durchschnittsgeschwindigkeiten. Also motor on – bis zur Abzweigung, wo die rote Hauptverkehrsachse hoch nach Aktobe zieht, während die gelbe Nebenroute noch etwas weiterläuft. Bis hin zu einem Erdhaufen über die Strasse – hier in der Wildnis das eindeutige Zeichen “Strasse gesperrt”. Wobei aber trotzdem Spuren drüber führten und wir dieses Hindernis auch mit unseren tief hängenden Langschiffen schafften – also weiter – an immer tieferen Schlaglöchern vorbei – direkt auf eine Schotterpiste. Hhhmmm – die Marschgeschwindikeit sank. Und so beschlossen wir noch ca. 30 Minuten Erkundungsfahrt anzuhängen um zu schauen, ob die Strasse besser würde. Darauf reagierte unser Motor mit dem “Check Engine Lämpchen” kann alles oder nichts bedeuten – also motor on – Erkundung fortsetzen – aber es war sinnlos – die Piste wurde nicht besser und bei ca. 30Kmh Durchschnittsgeschwindigkeit war Atyrau ca. 32 Stunden Fahrzeit entfernt – etwas aggressiv für die verbleibenden 1.25 Tagen. Also kehrten wir um – was der Motor sofort mit dem erlöschen der Check Engine Leuchte quittierte. Ist wohl ein schwedisches Safety-Feature für schlechte Strassen – dachten wir – cool! Kann aber nicht sein – denn hätte der Motor gewusst was kommt, er wäre wohl mit Freuden nach Atyrau galoppiert. Und kurz darauf zog das Auto nach links – hat wohl an die Bundesratswahl gedacht oder so – war es aber nicht, sondern ein Plattfuss. Nun Räder an- und abschrauben haben wir inzwischen im Griff und das platte Rad haben wir dann traditionell rituell der Steppe geopfert und um gutes Vorwärtskommen gebeten. Hat aber nicht geklappt. 5 Km später hatte nämlich auch die Duck Fussprobleme – Plattfussprobleme! Haben wir schon erwähnt, dass sich unsere Autos schwesterlich nahestehen?

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Aber irgendwann waren wir zurück bei der Abzweigung und wählten – visagetrieben die sicherer erscheinende rote Route.  Aber zweitens war hier drittens und ganz anders…

Zuerst noch ging’s recht gut voran – ca. 130 Km, dann kam die erste Baustellenumfahrung – zuerst noch gewohnt schotterig, aber bald wurde das Terrain sandiger – d.h. es gab plötzlich mehrere parallel verlaufende Pistenkanäle – durchsetzt von sandigen Mulden und üblen Schlägen – das eine ein leicht erhöhte Durch-Surf-Geschwindigkeit erfordernd – das andere materialschonend zu äusserster Langsamkeit mahnend – ein klarer, unlösbarer Interessenkonflikt. Die ersten 130Km hatten wir in gut 1.5 Stunden noch relativ locker abgespult, danach schafften wir in den nächsten 1.5 Stunden ca. 25 Km Baustellenumfahrung. So würde natürlich auch der Weg an die russische Grenze sehr lange – konkret 1000 Km = ?? Fahrstunden und anspruchsvoll werden.

Und schlimmer noch – die Umfahrung nahm kein Ende, der Tag aber schon –

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und das mit dem Campieren ist eben auch nicht so einfach – weil ohne Geländefahrzeug ist das einfach mal so in die Pampas fahren und ein gemütliches Plätzchen suchen gar nicht so einfach – unsere Normalstrassenautos verfügen dazu schlicht über zuwenig Bodenfreiheit. Aber zum Glück haben wir dann einen Abzweiger Richtung Baustelle gefunden. Und mit etwas Anlauf und Fahrtechnik haben wir es auch über den Strassendamm auf die andere Seite geschafft – ein perfekt sichtgeschütztets, ausgeebnetes und mit Müllabfuhrservice ausgestattes Plätzchen,

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an welchem wir diesen etwas schwierigen Tag – d.h. ein Auspuff repariert und dafür zwei Platten eingefahren – trotzdem noch mit guter Moral beenden konnten. In der flachen Kasachenlandschaft liess sich auch herrlich verfolgen, wie der Mond und die Sonne – einer Kinderschaukel gleichend auf einer geraden runtersanken resp. aufstiegen. Auch das Fondue hat trotz verstimmter Mägen geschmeckt und mit Knacklichtern aus dänischen Armeebeständen haben wir Feuerwerk gespielt

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und die Vollmondnacht genossen. Einfach nicht an Morgen denken – Motor off.

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