Samtweicher Asphalt – 22. Tag
Ja – davon haben wir geträumt – aber irgendwie war uns die albtraumartige Piste näher und so sind wir wieder mal bei Sonnenaufgang aufgestanden. War aber lustig zum Anschauen, weil Sonnenaufgang auch gleichzeitig Monduntergang auf der anderen Seite bedeutete. So schön – das macht Laune! So ein Tag – so wunderschön wie heute! Gestern noch in der Baustellenumfahrungshölle, würde es heute bestens werden – deklarierte jedenfalls der eine Däne – denn an seinem Geburtstag würde nun alles gut werden. Na ja.
Nach traditionell Schweizerischem Frühstück ging’s müsli-gepowert los – wieder auf die üble Seite des Strassendamms – die Seite, auf welcher wir in der Nacht etliche Lichter sehen konnten, die sich plötzlich nicht mehr weiterbewegten, sondern umkehrten. Da mussten wir durch und dann würde wohl alles gut – denn es konnte ja nicht sein, dass diese kasachische Haupt-Nord-Südverbindung – also quasi der Steppengotthard einfach für normale PWs unpassierbar ist!
Aber die dunkle Seite des Damms hatte es wirklich in sich. Die sandigen Passagen wurden immer länger und tiefer und ohne die Erfahrungen aus der Saharadurchquerung im VW Scirocco wären wir wohl verzweifelt. So aber gelang es uns, unser Langschiff auf Wüstenkamel zu pimpen und auch sandige Stellen einigermassen mit Stil durchzucruisen. Die Duck hatte es da schon schwieriger – v.a. als die Dänen für einmal die Führungsarbeit übernahmen und prompt jugendlich ungestüm einen vom Hauptkanal abweichenden Nebenkanal wählten – deren Kommentar – “we thought – yeahh let’s do some offroading” – endete dann aber in einer üblen Sandmulde in welche sich die Duck ermüdet hineinlegte.
Sh…. Tja und des Abenteuers wegen waren wir ja auch noch jugendlich frohgemut ausgerüstet – hatten nicht mal eine Schaufel dabei und auch die Sandbleche waren zu Hause geblieben, da wir ja eigentlich auch keine offroad Wüstenabenteur geplant hatten. Aber erstens ist immer vor zweitens. Und so gruben wir die Duck halt von Hand aus und zogen sie letztlich dann mit der Hilfe eines entgegenkommenden Wüstenexplorers raus (natürlich war auch das Abschleppseil zu kurz, als dass wir unseren Saab in sinnvolle Position hätten bringen können). Danach ging’s weiter. Im gleichen Stil. Und nach zwei Stunden hatten wir immerhin weitere 20 Km durchkämpft – das würde hart werden – verdammt hart. Auch begannen wir zu registrieren, dass uns eigentlich keine PWs sondern nur Last- und Geländewagen entgegen kamen. Beunruhigend. Aber in der Wüste gibt es nur ein Entrinnen – hindurch. Und das taten wir – mit unserem, etwas hochbeinigeren Kamel vorwegtastend – die Duck hintendran. Wobei auch wir den Weg nicht immer optimal trafen – wie wir es durch diese Mulde mit nahezu knietiefen Fahrrillen hindurch schafften ist uns ehrlich auch fast etwas rätselhaft. Das Bild zeigt übrigens nicht die Fahrrinne – sondern bloss die eine Reifenmulde aus etwas überzeichnender Perspektive…
Die Duck wollte uns da folgen – aber wir konnten sie zum guten Glück noch rechtzeitig stoppen – allerdings trotzdem zu spät, sie war bereits in die erste Mulde hineingerollt. Aber zum guten Glück war auch gleich ein LKW in der Nähe, der stoppte und sie rauszog – worauf die Duck wieder nicht ganz rechtzeitig stoppte und den LKW im klassischen Joni-Style – emotional völlig losgelöst ob der Befreiung aus dem Sandloch einfach gleich rückwärts anrumste. Hat aber zum guten Glück nicht geschadet.
Und plötzlich waren wir durch – rollten auf jungfräulichem, spiegelglatten, samtweichen Asphalt Aktobe entgegen. Zuvor aber natürlich galt es Dankbarkeit zu zeigen – nach all den Entbehrungen hat solch schöner Asphalt einen Kuss verdient!
Die höheren Geschwindikeiten mussten wir uns echt erst wieder antrainieren – herrlich – vielleicht würde dies ja doch ein guter Tag! Aber nach ca. 30 Km war die Freude leider schon vorbei und es ging wieder ab der Strasse – hinein in diese Höllenpisten. Und nachdem wir Level 1 bestanden hatten, kam eine neue Schwierigkeit hinzu – wir fuhren nämlich direkt hinter dem Wasserwagen, welcher diese Kanäle mit Wasser besprühte um die Staubemissionen für die Arbeiter etwas zu lindern. War an der Stelle dann aber etwas tricky – weil für einmal die Piste erdig – eben war. Zusammen mit dem Wasser verschlammten die Reifen sofort und die Fahrerei glich einer Schlittschuhfahrt. Lenkeinschläge von mehr als 5 Grad führten lediglich zum Rutschen über die Vorderräder und mehr als 40 Kmh lagen nicht drin – was ich nicht wahrhaben wollte, da es zwischendurch auch Schlammlöcher hatte und in einem solchen wollte ich keinesfalls stecken bleiben. Denn einen Saab aus dem Sand ausbudeln ok. Aber den Kollegen eine gratis-Fango-Kur zumuten – nein – das wäre die Freundschaft strapaziert und so kam es wie es kommen musste bei nicht angepasster Geschwindigkeit – ich schleuderte den Saab äusserst spektakulär auf die seitliche, ca. 1 m hohe Sandbegrenzung hinauf.
Sah extrem aus – war es aber nicht – denn da der Wagen nur einfach ausgerollt war, half ein kräftiges Stossen und wir waren zurück auf der Eisfläche – weiterspielen – motor on.
Irgendwann war dann auch die Baustelle zu Ende – dank der Strasse dazwischen hatten wir in 3 Stunden immerhin ca. 60 Km zurückgelegt und rollten flott Aktobe entgegen. Bis zur nächsten Baustelle. Und noch einer. Aber die war dann wirklich die Letzte! Wussten wir zwar nicht – war aber gut so. Und so war der Rest der Fahrt dann halt wenig überlieferungswürdig – ein sanftes Gleiten durch die kasachische Wüste / Steppe – was immer auch die korrekte Bezeichnung wäre. Mit einer Ausnahme natürlich – denn unterwegs passierten wir mit unserem Saab tatsächlich die 10’000Km Marke! Das musste natürlich gefeiert und für die Nachwelt festgehalten werden!
Dank der nun konstant guten, sich am Schluss sogar in eine Autobahn hineinsteigernde Strasse konnten wir richtig Zeit gut machen und waren dann um 17:15 bereits in Aktobe. Was nun? Welche russische Grenze sollen wir mit unserm Übertritt ehren? Gemäss Empfehlung des Reisebüros war die Region Samara zu meiden, weil selbst für russische Verhältnisse überbürokratisch und das will etwas bedeuten. Aber da war noch der verlockende Wegweiser nach Orsk – 130Km – und wir wären in Russland – vermutungsweise in der Zivilisation – zwar ein Umweg – aber dafür lockten Städte mit Hotels und Restaurants – und nachdem der Tankstellenwart signalisierte, dass die Grenze vermutlich erst um 19:00 schliessen würde, wurde umgeplant und die Grenze angelaufen. Was dann allerdings an der schlechteren Strasse und der sich dahinziehenden Kilometer scheiterte. Also zurück nach Aktobe und versuchen, dort mal wieder ein echtes Hotel zu finden – bisher haben wir in Kasachstan ja erst zwei etwas bedenkliche Etablissements angelaufen – bei welchen wir nachträglich wohl lieber campiert hätten. Aber nach vier Tagen ohne Dusche und dem bevorstehenden Grenzübertritt wäre es wohl nicht falsch, sich etwas chick zu machen. Klappte dann auch – unter lokaler Führung haben wir ein nettes Hotel gefunden – Fisherman hat seine Händlerader ausgepackt und den Preis auf ein angemessenes Niveau runtergedrückt und wir alle haben fast stundenlang die heisse Etagendusche genossen.
Anschliessend auf zur Befriedigung der Grundbedürfnisse – dh. Geld, Essen und Trinken. Also mit Taxi haben wir zwar sogar internationale Bankomaten gefunden, nur scheinen die in der Nacht nicht zu arbeiten. Aber dank dem äusserst patenten Taxifahrer, welcher aussah wie der Klon aus den Filmen “Taxi 1-3” von Jean Luc Besson, sind wir dann halt in die Vorstandt rausgefahren und haben 100 USD durch einen Schlitz einer Eisentür geschoben – daraufhin sind 14’600 Tenge zurückgewandert – passt. Also dem Taxifahrer das Vertrauen ausgesprochen – nun Essen – mittels Handzeichen signalisiert und “Pectopa” artikuliert. Das hielt er allerdings für zu nobel und teuer (Halsabschneidergeste) – Cafe wäre passender. OK als “Cafe” angelaufen und mit 100Db lauter kasachischer Schlagermusik nahezu wieder rausgepustet worden. Fisherman murmelte etwas von Bordell und tatsächlich, als wir eintreten ist der Saal leer bis auf ein gutes Dutzend Frauen auf der Tanzfläche. Sehen aber irgendwie normal aus. Und war wohl auch tatsächlich ein Frauenchörchen beim Saisonabschluss (gibt’s den bei Chören überhaupt?) oder so. Und wir haben mit Gebärdensprache locker ein Bier bestellt – beim Essen hat’s dann aber gehapert, “Schaschlik” war zu unbestimmt – und so haben wir dann einfach je drei Schweinskotelets vom Grill mit Zwiebeln und einem Fladenbrot erhalten – war ganz ok.
Danach mit Taxi zurück – die Dänen wiederbelebt – denn wir mussten ja noch den Geburtstag feiern – dazu ab ins nächste Cafe/Disco/whatever und noch rechtzeitig vor Geburtstagsende zugeprostet. Motor off.
This entry was posted on Sunday, September 26th, 2010 at 09:13 and is filed under Uncategorized. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.