Pamirchallenge

Dr. Daktari und Michael unterwegs in den fernen Osten

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Suche nach Grenzen – Türkistan – 19. Tag

Das Hotel bewies leider auch am nächsten Morgen dass Midrange hier unterirdisch tief angesiedelt ist – d.h. zuerst gab’s ein exzellentes Frühstücksbüffet und wir waren eigentlich happy. Aber dann wollten sie nur Uzbekische Sum akzeptieren, obwohl der Preis ja in Dollar angegeben war. Natürlich konnten sie auch keine Dollar wechseln und die Wechselbude im anderen Hotel war noch nicht offen und zum krönenden Abschluss konnte ich nicht einmal die letzte Postkarte aufgeben – sorry liebe Geschäftskollegen – die muss ich wohl persönlich heimbringen – könnte also noch etwas dauern. 

Aber es sind ja Ferien und wir sind nicht im Stress – auch sind 50% der Dänen wegen der Vortagesfeier noch in der Boot-Phase und eher nicht fahrfähig. Also los – auf nach Quibray – oder so ähnlich. Denn grenzüberschreitendes Handeln in Zentralasien ist nicht nur wegen des Bürokratismus an der Grenze schwierig – nein die Staaten sind alle auch derart von sich selbst überzeugt, dass niemand auf die Idee kommt, dass es auch Leute gibt, die ein solches Land verlassen wollen und ergo sind grenzüberschreitend gültige Wegweiser inexistent. Aber das Hotel meinte, in Quibray würde es klappen. Tat es aber nicht – da war keine überschreitbare Grenze. Also dem Navi vertraut und auf den Hauptgrenzübergang zugefahren – Grenzüberschreitung möglich – aber Grenzüberfahrung nein.

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Und tragen wollten wir unsere Saabs dann halt auch nicht – also zurück unter kundiger Führung. Dies ist denn wohl auch eine zentrale Erkenntnis einer solchen Zentralasienreise – man trifft derart viele unterschiedliche Kulturen, Staaten, Menschen, welche in höchst unterschiedlichem Mass auf fremde Reisende ausgerichtet sind. Sich da alleine durchzuorganisieren ist auch mit den modernsten Mitteln der Technik schlicht nicht möglich. Mit anderen Worten – im Vergleich zu den durchziehenden Karawannen haben sich wohl nur die Fortbewegungsmittel verändert – der Rest des Reisens ist immer noch Old School Style.

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Wie z.B. hier, wo ein pensionierter Local, spontan zu uns ins Auto sass und den uns Weg zu einem auch für Fahrzeuge geöffneten Grenzübergang weisen wollte – und zwar gratis und franko (bezahlte hilfe gibt’s natürlich überall massenweise – wobei dies meist weniger mit Hilfe als mit modernem Raubrittertum zu tun hat). Allerdings konnte uns auch dieser Ortskundige nur teilweise helfen, weil auch der von ihm anvisierte Grenzübergang für Fahrzeuge geschlossen war. Aber er half immerhin, zu erfragen, wo wir denn nun eine Grenzüberfahrung vornehmen könnten – tja – 100 Km zurück Richtung Samarkand sollte es klappen – also los. Und tatsächlich – dieses Strassenschild bewies uns deutlich, dass hier Fernfahrer erwartet werden. 

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Und so rollten wir gemütlich der Grenze entgegen und genossen die zentralasiatische Landschaft und die kleinen Abenteuer, welche nur schon das Finden einer passierbaren Grenze bereiten können.

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An der Grenze folgte dann der bestens bekannte Postenlauf – mal wieder disziplinengetrennt, d.h. Passagiere und Fahrer werden getrennt abserviert. Austritt aus Usbekistan war eigentlich ganz ok – jedenfalls als wir die Hemmungen ablegten und uns beim Schlangestehen an die Lokalmentalität anpassten. Das geht nämlich so: Da steht einer bei einem Schalter und man läuft westeuropäisch korrekt, auf hinreichenden Diskretionsabstand bedacht hinzu und stellt sich hintenan. Typischerweise kommen dann ca. 5-10 Zentralasiaten und quetschen sich in jede erdenkbare Lücke, welche zwischen dem höflich wartenden Westeuropäer und dem mutmasslichen Ziel der Warterei existiert. Und so eingekeilt kann man dann so lange warten, bis der allerletzte Ureinwohner des Bezirks abgefertigt ist. Geht aber auch anders: Fisherman hatte sich nämlich mit Ellbogen- und Körpereinsatz seinen Platz in der Warteschlange bewahrt und war bis an den Passschalter vorgestossen, als wir Fahrer ca. 10 Nasen hintendran ebenfalls aufliefen – also kurz unsere Pässe nach vorne durchgereicht – schliesslich sind wir ja eine Gruppe – und für einmal keine Freunde gefunden – muss auch nicht immer sein…

Auf der kasachischen Seite dann eine herzliche Begrüssung und der Wunsch, ein Souvenir zu bekommen – nun – wenn sich die Usbeken Zigarren nehmen, können wir sie den Kasachen ja auch freiwillig aushändigen. Danach dann der Parcours – wobei wir Fahrer erst gefragt wurden, ob wir russisch könnten – leider immer noch njet. Also sollten wir 10 Dollar bezahlen – haben wir erst gar nicht verstanden – wir könne leider beim besten Willen kein Russisch und schon gar nicht wenn’s ums Geld geht. Geldstrafe wegen fehlender Sprachkenntnisse? Nein für einen halboffiziellen Übersetzer – weil natürlich gab es Formulare auszufüllen – nun njet – spassiba – da haben wir schon Übung drin – also locker die Formulare mal so erraten und ausgefüllt – danach ab zur Kontrolle – und wie in der Schule – hier was falsch angekreuzt und dort in die falsche Spalte geschrieben – ungenügend – repetieren. Und zwar im Doppel – klaro – kein Problem – wir sind ja sowieso richtige Schreibratten geworden und beim zweiten Anlauf schafften wir die Aufnahmeprüfung für Kasachstan dann tatsächlich. Halt einfach etwa eine Stunde später als unsere Passagiere, was aber den netten Nebeneffekt hatte, dass es den Zöllnern, welche unsere Fahrzeuge bewachten peinlich war, dass es solange gedauert hatte und so hiess man uns ohne jegliche sonstige Kontrolle einsteigen und go go go – schnell weg – ok – wenn ihr meint.

Flugs die Passagiere eingeladen und Segel gesetzt – wieder Richtung Tashkent – aber auf der anderen Seite der Grenze!

Und solche Grenzen ziehen oft auch tiefgreifende kulturelle Differenzen nach sich, welche sich sogar – man glaubt’s kaum – auf die Tierwelt erstrecken: Die Kuh – ein herrliches, majestätisch gelassenes Tier, welches dem Menschen weltweit wohlschmeckende Speisen ermöglicht.

Die Kuh in Indien – heilig – haben wir zwar nicht erlebt – aber gelesen.

Die Kuh in Usbekistan: Angepflockt – 10 Meter Fressreichtweite – Kontakt zu Artgenossen – nicht  vorgesehen!

Die Kuh in Kasachstan – irgendwo in den weiten Steppen dieses Landes herumzottelnd – dann und wann auch auf der Strasse unterwegs – Freiheit pur!

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Leider hatte die Suche nach Grenzen zur Folge, dass die Tag/Nachtgrenze unaufhaltsam näher kam – und zwar noch unaufhaltsamer als unser Tagesziel Türkistan.

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Also entweder Nachtfahrt auf dieser für längere Zeit letzten kasachischen “Fast-Autobahn” oder Hotelsuche in Shymkent – nun im Zweifelsfall sind wir ja auf einer Rally-Mission – d.h. Bewegung ist besser als Stillstand – motor on. War aber schon eine mühsame Fahrerei und so kamen wir etwas ermüdet in Türkistan an. Hotelsuche war zum guten Glück einfacher als erwartet – weil wir einfach direkt an eine etwas heruntergekommen Herberge ranfuhren und uns – infolge Müdigkeit und des günstigen Preises wegen einfach eincheckten. Nun für 12 USD kann man natürlich keine grossen Ansprüche haben – und ja – konnte man auch nicht – die Dänen konnten nicht einmal die Zimmertür abschliessen und die Bilder der Sanitäranlagen ersparen wir euch jetzt mal. Aber immerhin wir hatten ein Bett und wir kriegten sogar noch eine Hammelfleischbouillon zum Znacht.

Speziell berührt haben mich aber die Leute, die unsere Autos anstaunten, uns nach dem Weg und dem Ziel fragten – da kam doch tatsächlich ein Mann auf mich zu, fragte Turist? Und drückte mir, als ich bejahte 1000 Tenge – immerhin ca. 7 USD in die Hand – einfach weil er sich so freute, dass Touristen seine Stadt besuchten – unglaublich. Wir revanchierten uns dann mit einer Packung weitgereister Kit Kat Schokoladenstengel. 

Nun – die Herberge war wirklich nicht so gemütlich und so haben wir den Abend dann mit einem Nachtspaziergang zur Grabmoschee beschlossen – eine richtig märchenhafte Stimmung mit einem prächtigen Nachthimmel, hellem Mondschein und einer Hundemeute die um uns herumstreunte – so sind damals die Karawannen durch die Seidenstrasse gezogen, damit wir Westeuropäer unsere Hausmannskost aufspicen konnten.

Und damit ging dann auch der zweite Teil unserer Reise – nämlich die Seidenstrassenexpedition, zu Ende. Ab jetzt liegen die Prioritäten wieder auf dem Motoren anstelle des Tourismus-Tourens und die Ziele liegen westwärts. Im Kernstück der Seidenstrassenrouten, d.h. im Iran, Turkmenistan und Uzbekistan haben wir drei äusserst unterschiedliche Staaten angetroffen. Die sich aus den verschiedenen Staatsformen ergebenden Differenzen hätten wir wohl nicht so krass erwartet – und diese unterschiedlichen Staatsformen scheinen doch auch sehr direkt das Verhalten der Menschen zu beeinflussen.

Eindrücklich sind natürlich auch die Bauten aus der alten Seidenstrassenzeit – doch ist deren Besichtigung etwas ganz anderes als die Besichtigung des Schloss Hallwyl oder des Grossmünsters – unsere westeuropäischen Baudenkmäler haben die Jahrhunderte wohl eindeutig besser überstanden als die zentralasiatischen Medresen und Moscheen. Da wir keine Historiker sind, können wir nur mutmassen, dass dies u.a. auf das weniger extreme Klima und die stabileren politischen Verhältnisse zurückzuführen ist. Allerdings wurden viele dieser alten Bauten mit einer glänzenden neuen Aussenhaut wieder in ihrem ursprünglichen Zustand versetzt – so quasi “factory refurbished”. Und auch wenn diese Kuppeln nicht mehr Original aus dem Jahre 1128 sind, so kann man doch an deren heutiger Schönheit ermessen, wie beeindruckend diese Manifeste in der damaligen Zeit gewesen sein mussten. Motor on – ein Besuch dieser herausgeputzten Märchenbauten lohnt sich auf jeden Fall!

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