Pamirchallenge

Dr. Daktari und Michael unterwegs in den fernen Osten

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The Road of Holes to Saratov – 23. Tag

Es kam wieder mal anders. Nach der zweispurigen – topfebenen Autobahn nach Aktobe kalkulierten wir mit europäischer Marschgeschwindigkeit um in Uralsk dann die Grenze nach Russland zu überqueren. Aber gleich Ausgangs Saratov holte uns die vergangen geglaubte kasachische Realität wieder ein

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– Schlaglochpiste übelster Ausprägung.

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Ausgestattet mit Spurrillen, bei welchen unsere Bodenfreiheit nicht ausreicht, um ohne Kratzgeräusche und potentielle Auspfuffschäden drüber zu kommen!

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Die Marschgeschwindigkeit sank auf unter 50kmh – die Grenze würden wir wohl erst in der Nacht erreichen und dabei lief ja den Dänen das Kasachstan-Visum heute ab. So quälten wir uns durch die Landschaft – mit schlechtem Gewissen gegenüber dem Auto – nach all dem Durchhaltewillen in der Sandwüste hat es derartige Schläge nun wirklich nicht verdient. Ging aber nicht anders. Aber immerhin gab es beim Tanken nach 120 Km einen Lichtblick – der Tankwart meinte nämlich, dass uns bloss noch 20Km dieser Road of Holes bevorstünden, danach wäre es dann wieder zivilisiert – und tatsächlich. Die Durchschnittsgeschwindigkeit nahm wieder zu – die Ankunftszeit an der Grenze verschob sich wieder in Richtung Tageslicht und die Fahrt an und für sich bietet dem Schreiber keinerlei speziell berichterstattungswürdige Vorfälle mehr. Kasachische Weite halt.

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Hinführund auf die russischen Weiten in den Ebenen vor dem Ural. Flache Steppe, keine Menschen, freie Tiere – jeglicher Spezies. Und wir im cruising-mode, d.h. wer anhält verliert resp. muss länger fahren. Vorbei an echten, ländlich ursprünglichen Zwiebelmärkten – kein Vergleich zur bernischen Touristenshow!

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Also einmal mehr Morgen- und Mittagessen im Wagen. Zur Abwechslung mal den Dänen eine Dose kalter Ravioli schmackhaft gemacht und gegen zwei (kleinere) Dosen kalter Hackfleischfpuffer an brauner Sauce eingetauscht. Reicht für das Grundbedürfnis Essen.

Gemütlich mitten Nachmittags war die Grenze dann erreicht und schon begannen die Schwierigkeiten – denn der kasachische Schlagbaumsoldat konnte sich in keinster Weise artikulieren, verteilte kleine Papierfetzen mit kyrillischen Buchstaben ohne jegliche Ausfüllhilfe – schwierig. Das bemerkte dann auch der 4*4 Fahrer hinter uns, der sich dann unsere Zettel schnappte, an der richtigen Stelle Automarke und –nummer einsetzte und den Schlagbaumsoldaten einen Idioten schimpfte – haben wir sogar ohne Kasachischkenntnisse verstanden. Dann durften wir rein ins Zollgelände – durch den Parcours hindurch, wobei auch gleich das russische Visum geprüft wurde. Kein Problem. Denkt man. Kommt aber wieder mal viertens ist anders als drittens! Denn die Dänen stellten doch tatsächlich in genau diesem Moment an der windigen, kalten Grenze zwischen Kasachstan und Russland fest, dass ihre Visa-Agentur mal wieder etwas Neues erfunden hatte – den Instant-Übertritt nämlich, d.h. sie mussten zwar am 24. aus Kasachstan raus sein, durften aber erst am 25.9. in Russland einreisen. Und leider gibt’s zwar Zeitverschiebung aber keine Datumsverschiebung. Das brachte den armen Dänen dann eine unvergessliche Nacht im äusserst exklusiven, aber leider sehr regnerisch kalten Niemandsland ein. Also halbe Nacht eigentlich – denn mit Russland kommt auch die Zivilisation zurück und der Zoll ist 24/7 geöffnet.

Überhaupt sollte man Russland und seine Grenzen nicht unterschätzen! Denn einerseits haben die viele Grenzen (Russland ist das mit Abstand grösste Land der Welt) andererseits nehmen sie es sehr genau – bei Visas z.B. auf die Minute – und so wurde Touristen auch schon mal die Ausreise verweigert, weil deren Zug die Grenze erst einige Minuten nach Mitternacht passierte und somit das Visum abgelaufen war. Gibt dann nicht nur eine Busse, sondern man muss auch in Russland warten, bis man ein neues und gültiges Ausreisevisum hat! Wollen wir nicht risikieren. Und auch sonst ist die Bereisung von Russland nicht ganz ohne – Wikitravel schreibt zu Durchfahrung im eigenen Wagen lapidar, dass dies nur etwas für “the brave and capable” sei! Na denn Motor on und so schlichen wir Gentlemenrallyistas diskret zum Russenzoll rüber. Dort – völlig irritierend – mussten wir nur eine einzige winzige Immigration Card ausfüllen! Aber – das ist halt so, weil die Russen die Prioritäten anders setzen. Denn danach folgte eine 15 minütige Überprüfung unserer Pässe, welche nicht nur gescannt, sondern auch einzelseitenweise mit den Fingern durchtastet und mit einer veritablen Uhrmacherlupe abgesucht wurden. Waren aber echt Schweizerisch – sorry. Aber noch nicht genug – weiter zur Befragung. Durch einen Russen, der sichtlich stolz darauf war, dass er in der Schule Englisch hatte und sich verständigen konnte – v.a. wollte er hören, dass die Zöllner in den sonstigen zentralasiatischen Ländern sicher schlechter Englisch gesprochen hätten als hier – ja stimmt – die haben eben auch nichts sprechen müssen, sondern sich auf formularschriftliche Kommunikation beschränkt… Und irgendwie klappte das mit der Befragung nicht – hat er mich doch nahezu zehnmal gefragt “where do you have money” – was ich zwar indiskret fand – aber insofern berechtigt, als er auch Schweizer zwecks Einhaltung der Antidiskriminierungsrichtlinien ausfragen darf, ob sie den Aufenthalt in Russland überhaupt zu bezahlen vermögen. Also habe ich ihm zehnmal geantwortet “in the car” – denn am Zoll ist man ja nicht allein und so genau muss es nicht jeder wissen. War aber nicht was er hören wollte. Hilflosigkeit. Also mit Lächeln versucht. War aber vermutlich ein Fehler – müsste man halt die Reiseführer vor Eintritt ins Land lesen – denn gemäss Wikitravel trauen die Russen einem lächelnden Westler überhaupt nicht – Lächeln bleibt Freunden und der Familie vorbehalten. Lächelt ein Westler meint er es entweder unehrlich oder – noch schlimmer – er lacht den Russen aus. War nun echt nicht meine Intention – er hat sich ja wirklich Mühe gegeben. Und dann sogar einen weiteren Grenzübertrittsaspiranten mit noch mehr Englischerfahrung um Übersetzerdienste gebeten und da lautete die Frage dann plötzlich, was ich denn arbeiten würde und womit ich mir das Geld für die Reise verdient hätte! Nun einfache Antwort – als idealtypische Schweizer sind wir ja tatsächlich auch Bänkler. Daraufhin hat er mich dann schlicht ausgelacht – konnte ich jedenfalls nicht anders interpretieren. Aber was solls. Seine Geldherkunftshypothese kam jedenfalls wohl von der Langeweile hier oben und dem abendlichen schlechte Filme schauen – und ok – unsere Bärte machen uns einerseits weiser – aber nicht zwingend gesitteter. Egal. Jedenfalls durften wir dann den ganzen Wagen ausräumen – das Drogenhündchen beschnüffelte äusserst gut erzogen alle möglichen und unmöglichen Stellen und wir öffneten und durchkämmten jede Tasche, wobei – ob Zufall oder psychologische Meisterleistung wissen wir nicht – die Tasche mit den Zigarren zuletzt dran war. Ahh Zigarren meinte er träumerisch. Darauf offerierte ich ihm eine – denn was soll man einem korrekten Russen eine Freude verwehren, die wir vorher seinen zentralasiatischen Kollegen auch gewährte haben? Mmmmhhhhh aus Nicaragua meinte er – ob er denn eine haben dürfte? Ja klar – sagte ich doch! Und daraufhin war dann die Kontrolle höflich korrekt sofort beendet (gab auch nichts mehr zu kontrollieren) und wir rollten durch – Saratov entgegen – resp. lokaltypisch Capatob.

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Das erreichten wir dann erst im Eindunkeln – ein Gewühl aus Strassen mit tückischen Löchern – z.B. wenn wieder mal ein Schachtdeckel fehlt und natürlich ohne jeden Plan und ohne bescchilderte Hotels. Und die Versuche Russen auf Englisch zu befragen zeitigten ein ähnliches Ergebnis wie damals bei der Suche nach einer Bank. Einzige Möglichkeit – Taxifahrer – denn die rennen nicht gleich davon, wenn sie angesprochen werden. Und der eine hat uns dann mit äusserster Geduld ein sehr schönes und sogar derart korrektes Kroki gemalt, dass wir das Hotel dann auch Anhieb gefunden haben. Eingecheckt und loss – Essen gehen – am liebsten um die Ecke – und wo waren wir? In Udo’s Kneipe – mussten dann halt Paulaner trinken statt Lokalstoff – und genossen einfach mal wieder ein feines und v.a. warmes Essen. Anschliessend haben wir dann noch nicht genug gehabt und sind mittels Taxi zu einer kleinen Stadtrundfahrt in den McDonalds aufgebrochen – eigentlich noch ein nettes Städtchen dieses Saratov! Und irgendwann dann mit Handzeichen wieder zurück ins Hotel – und endlich schlafen. Motor off.

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