Pamirchallenge

Dr. Daktari und Michael unterwegs in den fernen Osten

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Einfach mittendurch – 26. Tag

Wir müssen vom Vortag nachtragen – nicht nur das Ende ist dünn geworden – auch unsere Nerven sind dünner! Dass die xy-stan Staaten problematisch sein würden wussten wir ja. Hat man sich darauf eingestellt. Und trotzdem jede Menge Überraschungen erlebt, die wir nie erwartet hätten – wie z.B. die Offroaderei in Kasachstan. Haben wir alles durchgestanden – aber jetzt vor den Toren Europas nochmals derart herausgefordert zu werden – das traf uns unerwartet. Statt einem gemütlich Gentleman-mässigen durchcruisen des Landes der nächsten Fussballeuropameisterschaft und der Besichtigung der wichtigsten Kulturstätten nur noch ein durchhetzen – 1700 Kilometer – teilweise übelster Schlaglochpisten in zwei Tagen – das haben wir nicht verdient. Aber damit nicht genug! Denn noch etwas war dünn geworden – nämlich der obere Gummidämpfer bei der Befestigung des vorderen linken Stossdämpfers unseres treuen Saabs. Wussten wir aber noch nicht so genau – nur dass es mal wieder komisch klang – aber wir wollen nicht vorgreifen!

Der Tag war gekennzeichnet von den Grenzproblemen – kaum aufgestanden ersuchten wir mittels unserer treuen Support-Crew in der Schweiz (herzlichen Dank Andrea) wir um konsularische Hilfe und um Klärung unserer Aufenthaltsgenehmigung. Und kriegten es bestätigt – ja – unser Grenzübertritt war wirklich speziell. Das Problem ist nur, dass wir hier ukrainischem Recht unterstehen und dass die Grenzbeamten für höchstmögliche Kreativität gegenüber Autofahrern bekannt seien…

Die Ukraine zeigte uns also wirklich ihre ablehnende Seite. Russende Schlote veralteter Fabriken statt architektonische Leckerbissen vergangener Prunkzeiten (die Habsburger lassen grüssen – als Rudolf fühlt man sich da verpflichtet)

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Und umweltverpestende Felderbrände – welche die Atmung erschweren, den Blick in die Weite einschränken und auch das Auto unansehnlich verstauben – übelst

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einziges Highlight des Tages – unser Saab knackte – wenn auch angeschlagen – die Viertelmillion-Grenze

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schön – und danke liebe Schweden, Dänen und Finnen dass ihr in gemeinsamer Arbeit (unser Modell wurde nämlich in Turku montiert) einen so zuverlässigen Strassenkreuzer – ein echtes Wikinger-Langschiff eben erschaffen habt. 

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Aber eben – man soll ja den Tag nicht vor dem Abend loben und auch kein Land vor der Ausreise preisen und auch Lobhudeleien auf ein Fahrzeug, welches noch fahren muss – sind gefährlich. Das dünne Ende nämlich – oder weil ein Unglück selten allein kommt, vermeldete auch unser Saab mal wieder Beschwerden – über Bodenwellen gelangen unschöne Metalltöne an unser Ohr. Kurzer Check und – ja klar – vorne links ist der obere Befestigungsgummidämpfer des Stossdämpfer zerbröselt. So ist der linke Stossdämpfer damit nicht mehr auf Zug angezogen, d.h. fällt durch auf die den vormals den Gummi haltenden Mutter. Wäre eigentlich nicht schlimm – zwei Schrauben sind zu lösen – ein neuer Gummidämpfer – d.h. einfach eine Gummischeibe von ca. 4cm Durchmesser, 2cm dick mit einem Loch in der Mitte ist zu montieren und die Schrauben sind wieder anzuziehen. Könnten wir vermutlich auch selbst – wenn wir die Werkzeuge hätten.

Und so enthüllt diese Reise ein weiteres Märchen – nämlich dasjenige der begabten ukrainischen Mechaniker: Beim Ersten warteten wir 45 Minuten auf eine Reaktion – das Problem schien er begriffen zu haben, danach ging nichts mehr, bis wir die Geduld verloren (zur Erinnerung – dank der extremen Gastfreundschaft der ukrainischen Zöllner dürfen wir ja die ca. 1700 Km quer durch die Ukraine in nur zwei Tagen absolvieren. ). Beim Zweiten dauerte es ca. eine Minute bis er das Problem verstanden hatte und nochmals zehn Sekunden bis er abwinkte – immerhin nicht völlig falsch. Und der Dritte nahm dann die grossen Werkzeugschlüssel und versuchten die gekonterten Muttern von oben mit Gewalt herunterzudrehen – blanker Horror! Und am Tag darauf wurden wir mal wieder fünf Minuten gar nicht wahrgenommen, worauf wir – gewitzt durch die Erfahrungen des Vortags das Vorhaben aufgaben. Man soll nicht verallgemeinern – aber es erfüllt uns mit Entsetzen, wenn wir nicht mal mehr einen Mechaniker finden, der uns zwei gekonterte 16er Schrauben korrekt lösen, einen Gummipuffer dazwischenmontieren und das ganze wieder anziehen kann! Auf die Gefahr – jetzt als arroganter Bänklerischer Besserwisser beschumpfen zu werden – es kann doch nicht sein, dass wir einem Mechaniker erklären müssen, was er zu tun hat – da haben wir ja den Beruf verpeilt! Also volle Fahrt voraus. Nichts wie weg – einfach mittendurch.

Aber auch das ist leider nicht möglich – denn die Unfähigkeit der ukrainischen Mechaniker wird nur noch übertroffen durch die Fähigkeit der ukrainischen Polizisten, einem mit der Spedpistole eingangs der Dörfer abzuschiessen. Denn sinnvollerweise führt die Hauptverkehrsachse und teilweise Autobahn durch jedes Dorf hindurch – und dort gilt dann innerorts – 60Kmh. Schön auch, dass teilweise zwischen dem einen Ortsausgang und dem nächsten Ortseingang gerade mal 150 Meter liegen – ein sicherer Wert für die dümmste Beschilderung / Strassenführung der Welt. Bezeichnend ist auch, dass trotzdem alle Ukrainer zu schnell fahren und so halt immer wieder Autos neben der Strasse stehen, wobei vermutlich kaum je Bussen sondern immer Schmiergeld bezahlt wird. Uns hat’s auch drei Mal erwischt, wobei beim letzten Mal die angeblich gemessene Geschwindigkeit garantiert falsch war – im Gegenzug haben wir aber ausser 5 Zigarren und einem Zigarrenschneider auch nichts bezahlen müssen. Lästig ist aber halt der Zeitverlust und so zieht sich die Reise träge und mühsam dahin. Damit keine Missverständnisse entstehen. Wir sind keine Raser! Wir wurden auf den bisherigen14’000 Km vor der Ukraine exakt zwei Mal von der Polizei angehalten und waren einmal zu schnell und einmal zu laut oder zu hilflos – damals auf der Hotelsuche in Buchara! Auch achten wir jede Staatsmacht – schliesslich sind wir Schweizer! Aber der Respekt wird natürlich getestet, wenn die Reaktion auf unser Vergehen jedes Mal eine unsinnig hohe Strafandrohung – immer in Euro, obwohl sonst in der Ukraine ohne Hrwynjas, Griwnas, Hrinas oder Hryvnyas (man beachte – die sind sich schon nicht mal bei der Geldbezeichnung einig) rein gar nichts kriegt! Und jedes Mal wurde dann im Polizeifahrzeug der erstgenannte Betrag (300 Euro) innert weniger als einer Minute auf ca. 1/10 reduziert, was offensichtlich nur mit einem äusserst stringenten Sanktionenkatalog zusammenhängen kann. Und bis auf das eine Mal, als wir 5 Zigarren springen lassen mussten, zum Schluss, nach ca. 10 Minuten jedes Mal die Strafe vom Tisch war – wer soll da noch wissen, was wirklich gilt? Wie soll man da Vertrauen in die Arbeit dieser Beamten haben, die ansonsten ja durchaus richtig die Einhaltung der Limiten überwachen?

So humpeln wir mühsam und langsam durch’s Land und entscheiden uns schlussendlich trotzdem, in Kiew zu übernachten, um bei der Schweizerischen Botschaft unseren Fall anmelden zu können.

Kiew wäre schön. Konnten wir aber nicht so recht geniessen – a) siehe oben und b) siehe unten

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– denn wir erleiden mal wieder eine Hotelsuche der mühsamsten Art – inkl. Anfahrt über eine Schlaglochpiste wie wir sie zuletzt in Kasachstan oder in Gambia gesehen haben – und das mitten in Kiew! Welches eigentlich eine sehr schöne Stadt wäre – nur – sorry – geniessen konnten wir die unter diesen Umständen nicht. Motor off.

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